Die Xiongnu gelten als eines der ersten bekannten Nomadenreiche der Welt. Ihr Reich – genauer gesagt ihre Konföderation – war nicht nur eines der frühesten, sondern auch das langlebigste aller Steppenreiche. Sie waren eine Konföderation der Steppenvölker – also türkischer und mongolischer Völker. Die Xiongnu – eigentlich Shyon-nu ausgesprochen – wurden im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet. Sie bedrohten China Jahrhunderte lang und herrschten über die ganze östliche Steppe.
Die Herkunft der Xiongnu
Die Xiongnu waren ein Stammesbund der Steppenvölker, die aus schon mehreren bestehenden Stämmen und Clans bestand. Die Mehrheit der Stämme und Clans war vermutlich türkischsprachig. Nach einigen Forschungen könnten die Eliten proto-türkische Sprachen gesprochen haben, eine frühe Vorstufe des später belegten Alttürkischen. Die Xiongnu- Konföderation wurde in der Mongolei gegründet, wo damals nicht Mongolen angesiedelt waren sondern Türken. Viele Vermutungen der Forschung gehen davon aus, dass die Xiongnu aufgrund archäologischer Funde, die auf eine Verwandtschaft zwischen den Xiongnu und den mongolischen Völkern hindeuten. Die Diskussion darüber, ob die Xiongnu türkisch oder mongolisch waren, begann im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als die wissenschaftliche Erforschung der zentralasiatischen Geschichte und Ethnographie intensiviert wurde. Es gibt einige aufklärende Argumente, die dafür sprechen, dass die Xiongnu türkisch waren, die mich persönlich überzeugen, dass die Xiongnu größtenteils eine alt-türkische Bevölkerung besaßen.
Eine Studie aus dem Jahr 2020 stellt fest, dass sich die Xiongnu sich auch auf iranisch sprachige Stämme zurückführte aber die iranischen Stämme anschließend von den Turkvölkern assimiliert wurden. Genetische Untersuchungen zeigen einen 60 % nordostasiatischen Bestandteil – was für eine türkische, mongolische und vielleicht sogar ein wenig samoyedische Komponente steht, weil die Turkvölker, Mongolen (wahrscheinlich) und die samoyedischen Völker aus Nordostasien kamen. Und zu 40 % ein westlicher Bestandteil. Die Komponente des Westens könnte für iranisch-Sprachler stehen.
Gleichsetzung zwischen den Xiongnu und den Hunnen
Meiner Ansicht nach ist die Gleichsetzung der Xiongnu mit den Hunnen sehr wahrscheinlich, da zahlreiche Namensähnlichkeiten und historische Quellen dafür sprechen. Ursprünglich wurde die Xiongnu „Hun“ oder „Huna“ bezeichnet. Hun und Huna zeigen vom Name her erstaunliche Ähnlichkeit zu den Hunnen in Europa und den Kidariten, die von den Persern als „Rote Hunnen“ bezeichnet wurden. Gleichzeitig wurden die Hephthaliten von den Byzantinern und Persern als „Weiße Hunnen“ bezeichnet. Im Türkischen nennt man die Xiongnu auch Asya Hun İmparatorluğu (übersetzt: Asiatisches Hunnenreich). Deswegen können wir die Xiongnu auch die Xiongnu-Hunnen bezeichnen.
Die Frage, ob die Xiongnu türkisch, mongolisch oder hunnisch waren, ist komplex und bleibt umstritten. Dabei werden die hunnischen Völker oft als Vorfahren sowohl der Turkvölker (türkische Völker) als auch der mongolischen Völker betrachtet.
Die ersten Jahre
Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde der Stammesbund der Xiongnu gegründet. Ihr Führer hieß Teoman/Tuman, der von 220-209 v. Chr. regierte. Teomans Ziel war es die Nomadenstämme in der Steppe zu vereinen. Im Jahr 215 v. Chr. gelang es ihm knapp alle Nomadenstämme zu vereinen, jedoch vereinte er einen großen Teil der Nomaden. Ein Jahr vor 215 v. Chr. kam es zum Bau der frühen chinesischen Mauer, die hauptsächlich zum Schutz der Xiongnu-Hunnen diente. Anschließend gebar seine Frau einen Sohn, der den Namen Mete oder Modu trug. Als Modu ein Jugendlicher wurde, erwarb er das Vertrauen seines Vaters. Somit schenkte Tuman seinem Sohn Mete 10.000 Reiter. Modu verwendete eine Taktik: Er erprobte die Loyalität unter seinen Männern an ihm, indem er befahl auf das zu schießen was er verlang. Die erste Probe erfolgte als er befahl, dass jeder auf sein Lieblingspferd schießen sollte. Wer es nicht machte wurde hingerichtet. Die zweite Probe erfolgte als er auf seine Lieblingsfrau schoss. Erneut wurden die Zögernden getötet. Im Jahre 209 v. Chr. zielte Mete auf seinen Vater und seine trainierten Truppen schossen ohne zu zögern auf Teoman. Mete übernahm nun die Herrschaft.
Um ca. 209, fand ein Krieg zwischen den Xiongnu und den proto-mongolischen Donghu statt, das genaue Jahr ist ungewiss. Modu Chanyu siegte und spaltete die Donghu in mehrere Gruppen. Einige von ihnen, wie die Wuhuan und die Xianbei, gewannen später an Bedeutung.
Die Chinesen bezeichneten die Herrscher der Xiongnu als Chanyus. Der Herrschersitz des Chanyu lag in Ötüken, der heiligen Hauptstadt, die in den mythischen Wäldern der türkischen und mongolischen Völker verankert war. Die vielen Stämme der Xiongnu handelten unabhängig. Der Chanyu sollte also nur die Ordnung beibehalten und die Konföderation von äußeren Gefahren beschützen. Das heißt aber nicht dass sie ihren Einfluss in Asien nicht vergrößern wollten – im Gegenteil.
Um 200 v. Chr. griffen die Xiongnu unter Modu Chanyu die chinesische Grenzstadt Baideng an. Modus 100.000 Mann starke Armee überquerte die chinesische Grenze. Der chinesische Kaiser Gaozu startete einen Gegenschlag. Modu belagerte daraufhin die Festung Mayi – ein wichtiges Handelszentrum. Nun als er die Festung eingenommen hat und Soldaten dazugewonnen hat, lockte er Gaozu nach Norden zu den Xiongnu. Als Gaozu auf dem Weg zu den Xiongnu war, zog Modu sich zurück in das chinesische Gebiet nach Baideng. Er führte die Chinesen in eine Falle. In der Grenzstadt Baideng gewannen die Xiongnu die bedeutende Schlacht.
Im selben Jahr konnte Modu Chanyu zahlreiche kleinere Stämme wie die Hunyu, Qushe, Dingling (vermutlich ein Turkvolk), die Gekun und die Xinli unterwerfen.
Um 177 v. Chr. errangen die Xiongnu unter der Führung von Modu Chanyu einen bedeutenden Sieg über die Yuezhi. Dieser Erfolg zählt zu den letzten großen militärischen Triumphen Modu Chanyus, da er drei Jahre später, um 174 v. Chr., verstarb.
Blütezeit
Nach Modu Chanyu übernahm sein Sohn Lao-shang die Führung. Seine Herrschaft dauerte nicht lange (174-161). Laut den chinesischen Quellen überfiel Lao-shang Chanyu in den Jahren 166- und 165 v. Chr. nahe an der chinesischen Hauptstadt Chang’an die chinesische Bevölkerung. 164 v. Chr. – genau zehn Jahre nach Metes Tod – vertrieb Lao-shang die Yuezhi endgültig und machte aus dem Schädel des getöteten Königs der Yuezhi einen Becher. Jedoch verblieb ein Teil der Yuezhi, die den Chinesen unter dem Namen „Kleinere Yuezhi” (chin. Hsiao Yüe-chih) bekannt sind. Lao-shang Chanyu starb 161 v. Chr. und sein Sohn Junchen (161-126 v. u. Z.) übernahm die Herrschaft.
Unter Junchen kam es 158, 148, 144 und 142 v. u. Z. zu Überfällen der Xiongnu auf die Han-Dynastie. Der chinesische Kaiser Han Wudi wollte den Überfällen der Xiongnu-Hunnen, auf die Chinesen ein Ende machen. Deswegen entwickelte Han Wudis General Wang Hui mit seinen Mitstreitern einen Plan, die sogenannte Mayi-Falle (133 v. Chr.). Die Stadt Mayi, eine Grenzstadt im heutigen Shanxi, sollte als schwach verteidigtes Ziel erscheinen. Die Chinesen verbreiteten absichtlich das Gerücht, dass die Stadt nur wenig Schutz hatte und voller Reichtümer sei. Ein chinesischer Offizier, informierte die Xiongnu darüber, dass Mayi leicht zu plündern sei.
Somit marschierten bzw. galoppierten die Xiongnu mit einer 100.000 Mann starken Streitmacht nach Mayi. Auf anderer Seite versteckte sich eine chinesische 300.000 Mann starke Streitmacht in Mayi. Da wurden die Chinesen von Xiongnu-Spähern entdeckt und Junchen bemerkte, dass er in eine Falle gelockt werden sollte und zog sich mit seinen schnellen Reitern zurück. Der chinesische General Wang Hui, der für den Hinterhalt verantwortlich war, zögerte, die Xiongnu in einer offenen Feldschlacht zu verfolgen, da die Xiongnu-Kavallerie zu mobil war. Kaiser Han Wudi war extrem verärgert über das Scheitern des Plans und bestrafte Wang Hui sowie andere Offiziere.
Die Schlacht von Mayi (133 v. Chr.) war eigentlich keine direkte militärische Konfrontation, sondern ein gescheiterter chinesischer Hinterhalt gegen die Xiongnu. Diese Schlacht war ein Schlüsselmoment in den frühen Auseinandersetzungen zwischen der Han-Dynastie und den Xiongnu, die seit Jahrzehnten die nördlichen Grenzen Chinas bedrohten.
Yizhixie, Bruder Junchen Chanyus, übernahm nach Junchens Tod die Rolle des Chanyu, nachdem er seinen Neffen Yudan besiegt hatte. Er regierte von 126 bis 114 v. u. Z. und legte den Grundstein für den langsamen Machtverlust der Xiongnu. Yizhixie führte die Xiongnu-Tradition weiter, die Chinesen regelmäßig, unbeirrbar, aber erfolgreich zu plündern.
Im Jahr 124 v. Chr. startete die Han-Dynastie eine große Offensive gegen die Xiongnu. Statt sich nur zu verteidigen, griffen sie mit schnellen Kavallerie-Einheiten direkt die Gebiete der Xiongnu an. Vier Armeen mit je etwa 10.000 Reitern attackierten aus verschiedenen Richtungen. Die Han erzielten einige Erfolge, konnten den Xiongnu-Führer Yizhixie aber nicht entscheidend besiegen.
Im Jahr 119 v. Chr. entsandte Kaiser Wu eine riesige Streitmacht unter den Generälen Wei Qing und Huo Qubing tief in das Feindesland nördlich der Wüste Gobi. Ziel war es, die Xiongnu dauerhaft zu schwächen und ihre Bedrohung für China zu beenden. Es entstand eine Schlacht, die den Namen „Schlacht von Mobei” trägt.
Wei Qing führte die Hauptarmee und setzte eine Wagenburg-Taktik ein, um die Beweglichkeit der Xiongnu zu begrenzen. Nach erbitterten Kämpfen zwang er Yizhixie Chanyu zur Flucht. Huo Qubing, ein weiterer General der Chinesen, führte eine schnelle Eliteeinheit an, zerstörte feindliche Lager und tötete Tausende von Xiongnu-Kriegern. Er feierte seinen Sieg mit einem rituellen Opfer.
Die hunnischen Krieger verloren die Schlacht eindeutig. Die Chinesen berichten, dass die Hunnen (Xiongnu) über 90.000 Krieger verloren. Ob das wirklich so wahr, bleibt unklar wegen der geringen Bevölkerung der Xiongnu. Nach dieser Schlacht, begann der langfristige Niedergang der Xiongnu und sie wurden immer weiter von den Chinesen gen Norden gedrängt.
Langfristiger Niedergang
Yizhixie Chanyu starb im Jahr 114 v. Chr.; sein Sohn Wuwei Chanyu folgte ihm als Herrscher nach. Wuwei Chanyu regierte das Reich in einer großen Krise.
Im Jahr 111 v. Chr. befand sich die Han-Dynastie unter Kaiser Han Wudi auf dem Höhepunkt ihrer militärischen Expansion. Der Kaiser hatte sich das Ziel gesetzt, die Xiongnu endgültig zu zerstören. Die zwei Generale Zhao Ponu und Gongsun He befehligten 111 v. Chr. eine Streitmacht, deren Stärke auf 25.000 Mann geschätzt wird, im Kampf gegen die geschwächten Xiongnu. Das raue nördliche Winterklima erwies sich als wichtiger Vorteil für die Xiongnu. Im „Hanshu“ (Buch der Han) und „Shiji“ (Aufzeichnungen des Großhistorikers) wird 111 v. Chr. nur indirekt erwähnt – als Teil einer Serie von Feldzügen. Doch der Kontext lässt klar erkennen:
„Die Xiongnu begannen, sich zurückzuziehen, und einige ihrer Führer kamen freiwillig mit ihren Familien, um dem Kaiser zu dienen.“
Trotzdem scheiterte das Vorhaben der Han, die Xiongnu vollständig zu vernichten.
110 v. u. Z. führten die Xiongnu weiterhin die traditionellen Überfälle auf China fort, die nicht immer erfolgreich waren. Die „Loyalität gegenüber dem Chanyu“ begann zu bröckeln – besonders dort, wo kein direkter Schutz oder Beute mehr gewährleistet war.
Die Han gaben keine Ruhe – im Gegenteil:
109 v. Chr. begann ein großer Feldzug in den Nordwesten, Richtung Jiuquan und Dunhuang, zwei Schlüsselregionen am Rand der Steppe. Wuwei sammelte noch einmal ein großes Reiterheer – vermutlich 20.000–30.000 Reiter, angeführt von einem Verwandten. Es kam zu Grenzgefechten, aber die Han vermieden eine direkte Entscheidungsschlacht. Stattdessen zogen sich taktisch zurück und zerstörten Ressourcen unterwegs: Wasserquellen, Weidegebiete, Dörfer.
108 v. Chr. war der letzte bekannte militärische Versuch unter Wuwei, das Blatt zu wenden: Er startete ein Angriff auf eine Han-Garnison in der Ordos-Schleife der scheiterte, mehrere Stammesführer verweigerten die Unterstützung oder erschienen zu spät.
Er verlor 106 und 107 mehrere Xiongnu-Edle, darunter Familien aus dem Süden.
Wuwei Chanyu, ein Herrscher, der den Titel „Tapfer“ durch sein Handeln wahrhaftig auszeichnete, starb im Jahr 105.
Er Chanyu trat die Nachfolge seines Vaters Wuwei an und wurde somit der neue Chanyu der Hunnen. 103 v. Chr. zog unter dem Kommando des Han-Generals Zhao Ponu eine Streitmacht von 20.000 Kavalleristen gegen die Xiongnu. Er Chanyu gelang es, Zhao Ponus Truppen zu umzingeln und gefangen zu nehmen. Dieser Sieg der Xiongnu war jedoch von kurzer Dauer, da sie kurz darauf versuchten, eine Han-Festung einzunehmen, was ihnen jedoch misslang.
Sein unerwarteter Tod im Jahr 103 v. Chr. beendete seine Herrschaft, und er wurde von seinem Onkel Xulihu als Chanyu abgelöst.
Xulihus Herrschaft war nicht von großer Dauer, denn zwei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt verstarb er. Seine Erfolge als Chanyu waren nur Überfälle auf die Han.
Quellen
Literatur:
- Grousset, René (1970). Die Steppenvölker: Attila – Dschingis Khan – Tamerlan
- Yavuz, Emre (2024). Das Reich der Göktürken: Aufstieg der Turkvölker 546-630 n.Chr.
- Scharlipp, W.E. (1992). Die Frühen Türken In Zentralasien: Eine Einführung In Ihre Geschichte Und Kultur
- Maenchen-Helfen, Otto (1978). Die Welt der Hunnen
- Crawford, S.F. (2023). The Han-Xiongnu War
- Wagenführ, Philip (2009). Die Yuezhi im Gansu und Ili-Becken
- Shiratori, Kurakichi (1900). Über die Sprache des Hiung-nu-Stammes und der Tung-hu-Stämme
Onlinequellen:
- www.mpg.de, Alte DNA enthüllt die multiethnische Struktur des ersten Nomadenreichs der Welt